ReviewRiot

Bis zum Ende

Kreisende Gedanken hielten ihn immer wieder fest. Überall, wohin er auch blickte, sah er sie. Ihre Sachen lagen in allen Ecken, auf dem Sofa, im Schlafzimmer. Er konnte weiterhin ihren Geruch in der Wohnung wahrnehmen. Warum war all dies zu Ende gegangen? Hatte er sich nicht genügend gekümmert? Hatte er nicht auf alles geachtet? Waren ihm die Anzeichen nicht aufgefallen? Jede dieser Fragen beantwortete er sich selbst: Nein.

Nein, er wusste nicht, warum alles zu Ende gegangen war.

Nein, er hatte sich nicht genügend gekümmert.

Nein, er hatte nicht alles im Blick.

Nein, ihm waren die Anzeichen nicht aufgefallen.

Sie war schon immer gut darin, etwas zu verbergen, um ihn zu schützen. Selbst als es ihr schon schlechter ging, kam sie weiterhin freudig auf ihn zu, wenn er von der Arbeit heimkehrte. Sie unternahm auch weiterhin lange Spaziergänge mit ihm, auch wenn diese Strecken immer kürzer wurden.

Irgendwann konnte sie nicht mal mehr alleine die Treppen hinuntergehen. Er musste sie tragen und er tat dies, oft mit Tränen in den Augen, da ihm die Zeit mit ihr durch die Hände zu rinnen schien. Er konnte es sich nicht eingestehen, dass ihre Zeit bald gekommen war.

Als der Tag des endgültigen Abschieds kam, waren sie in ihrer gemeinsamen Wohnung. Ihren Kopf hatte sie, wie so oft, in seinem Schoß gebettet. Ihre Atemzüge kamen stoßweise und zeigten, wie schwer ihr das Atmen mittlerweile fiel. Die Abstände zwischen jedem erzwungenem Zug wurden immer länger, bis ihre Seele mit einem letzten Ausatmen davonzog und nur noch ihre leblose Hülle zurückließ.

Das war vor mehreren Wochen gewesen. Bisher hatte er sich nicht dazu durchringen können, ihre Sachen fortzuräumen oder wegzuwerfen. Es schmerzte noch viel zu sehr.

Er würde sie heute wieder besuchen, so wie jeden der vergangenen Tage, seit sie bestattet worden war.

Er griff nach ihrem Lieblingsspielzeug, ihrer Leine und seinem Haustürschlüssel.

Normalerweise würde sie freudig um ihn herumspringen, wenn sie noch da wäre.

Er öffnete die Haustür und ließ die quälende Leere in der Wohnung zurück.

Seine Füße fanden den Weg zum Tierfriedhof automatisch, wie all die Tage zuvor.

Das Friedhofstor quietschte vertraut und ihm war, als würde er sie dort sitzen und auf ihn warten sehen.

Ein letztes Mal spazieren gehen. Ein letztes Mal mit ihr spielen.

Mehr wollte er nicht.

(381 Worte)

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